<![CDATA[SY Okoumé unterwegs - Blog SY Okoumé]]>Fri, 16 Aug 2024 14:05:50 +0200Weebly<![CDATA[Irrfahrt im Nordatlantik - und warum müssen Franzosen immer rechnen? Azoren - Nordspanien - Bretagne]]>Thu, 15 Aug 2024 14:14:52 GMThttp://www.sy-balu.ch/blog-sy-okoumeacute/irrfahrt-im-nordatlantik-und-warum-mussen-franzosen-immer-rechnen-azoren-nordspanien-bretagne

«Nachem Räge,
schiint d Sune»

Hochs und Tiefs
auf dem Nordatlantik

Seit unserem letzten Blogeintrag sind schon zwei Monate vergangen. Dass wir so lange nichts geschrieben haben, hat nichts damit zu tun, dass wir nichts erlebt hätten – im Gegenteil: Mitte Juni haben wir die Azoren in Richtung Irland verlassen und sind nach 12 Tagen auf See schliesslich ganz wo anders (in A Coruña) angekommen. Dann sind wir von Galicien nach Asturien gesegelt, haben von Gijón aus die Biskaya überquert und sind nun in der Südbretagne. Nein, dass wir erst jetzt wieder berichten, hat eher damit zu tun, dass uns momentan viel durch den Kopf geht, was das Fahrtensegeln und unser Leben auf dem Boot allgemein angeht. Wir machen uns oft Gedanken über unsere Zukunft, über das Hin und Her zwischen OKOUMÉ und La Palma. Aber davon später.

Hier in der Bretagne ist gerade sehr viel los. Es ist Hochsaison – Ferienzeit. Und wir befinden uns hier in einem der aktivsten Segelgebiete Europas. Auf dem Wasser und in den Buchten und Häfen geht es zu, wie während der Street Parade im Zürcher Hafenbecken! Die Häfen sind voll, die beliebten Ankerplätze sowieso; es herrscht ein reges Kommen und Gehen. Eben haben wir noch lange Passagen gesegelt, waren tagelang ganz allein auf weiter Flur, eine Nussschale im mächtigen Atlantik, eine kleine «Insel» namens OKOUMÉ unterwegs jenseits menschlicher Kontakte, das blaue Wasser unter dem Kiel 4000 Meter tief. Und jetzt unternehmen wir kurze Tagesetappen, mit hunderten von anderen Booten in rastloser Ferienhektik, die Küste immer in Sicht, das Wasser kaum mehr als 20 Meter tief. Was für ein Gegensatz! Wir müssen uns erst daran gewöhnen.

Auch auf dem Funk ist immer etwas los. Mehrmals täglich erschallt auf Kanal 16 ein «PAN PAN»: Ruderschäden, Motorenprobleme, Bitte um Abschlepphilfe – und natürlich alles auf Französisch. Und dann kommt noch dazu, dass die Franzosen offenbar ein unerschütterliches Faible für das Rechnen haben. Man kennt das ja von den Zahlen: 80 ist auf Französisch 4 mal 20 (quatre-vingts), 96 ist 4 mal 20 plus 16 (quatre-vingt-seize) usw. Was nun aber den Vogel abschiesst, ist, dass auch die Funkkanäle «berechnet» werden. Kanal 6 wird oft als «deux fois trois» wiedergegeben, Kanal 10 ist «deux fois cinq» etc. Es ist für uns ja schon schwierig genug, zu verstehen, was da jeweils überhaupt los ist – und dann müssen wir auch noch rechnen! Die spinnen, die Franzosen… 😉

Kulturelle (oft für uns auch amüsante) Besonderheiten, wie diese, auf Reisen aktiv zu «erfahren», ist immer noch etwas, was uns grosse Freude bereitet und uns bereichert. Dennoch haben wir, wie anfangs erwähnt, auch das Gefühl, dass das Weltenbummeln per Segelboot für uns langsam zu Ende geht oder nicht mehr das ist, was wir eigentlich suchen. Dies hat mehrere Gründe. Der Hauptgrund ist wohl, dass sich das Fahrtensegler-Dasein insgesamt verändert hat (oder zumindest scheint es uns so). Fahrtensegeln ist nicht mehr ein Lebensstil, sondern ist für viele nur ein Hobby von vielen geworden. Viele Bootsbesitzer leben nicht mehr wirklich an Bord, sondern verbringen jeweils ein paar Wochen oder Monate auf dem Boot und fliegen dann wieder nachhause. Man gibt nicht mehr seine Wohnung oder Haus auf, um sich für eine Zeit lang ganz dem Leben an Bord zu widmen. Man will die gewohnte Sicherheit nicht aufgeben, die Komfortzone nicht wirklich verlassen. Auch scheinen uns die Boote immer grösser zu werden und viele sie sind luxuriös ausgestattet. Das «einfache», naturnahe Leben wird oft nicht mehr gesucht. Auch wir haben ja inzwischen ein neues Projekt auf La Palma, dass uns gedanklich festhält, auch wenn wir auf dem Boot sind. Und schliesslich sind wir – nach all den Jahren, in denen wir mit dem Boot unterwegs waren – auch an einem gewissen Punkt angelangt, sind gesättigt an Eindrücken und des Hochseesegelns etwas müde.

Zudem mussten wir feststellen, dass die langen Törns von über eine Woche einfach nicht mehr unser Ding sind. Es scheint schwierig geworden zu sein, einen verlässlichen Wetterbericht für mehrere Tage zu erhalten. Längerfristigen Prognosen kann man nicht recht trauen (was eventuell mit den erhöhten Wassertemperaturen im Atlantik – oder dem Klimawandel? – zu tun hat). Auf unserer Überfahrt von den Azoren nach Nordspanien haben wir dies wieder eindrücklich erlebt. Eigentlich legten wir mit Ziel Irland ab. Das Wetterfenster sah perfekt aus, das Hoch über den Azoren sollte sich stabilisieren und sich bis nach Grossbritannien ausdehnen, so die Vorhersage. Am Nordrand des Hochs hätten wir dann mit günstigen Winden zum Ziel segeln können. Nach vier Tagen auf See sah die Situation jedoch komplett anders aus. Das Hoch war zusammengefallen, die Sturmtiefs zogen in unsere Richtung und bescherten uns viel Gegenwind. So entschlossen wir uns, nach A Coruña abzudrehen. Doch auch dieses Ziel war nun nicht mehr ganz einfach zu erreichen. 600 nautische Meilen von der spanischen Küste entfernt hatten wir mit einem Tief zu kämpfen, dass sich hartnäckig auf unserer Route festsetzte. Um das Zentrum mit den stärksten und ungünstigsten Winden (und Wellen!) zu vermeiden, fuhren wir einen grossen Umweg und lagen 18 Stunden lang beigedreht. Regula notierte hierzu in ihrem Seetagebuch:

8. Tag auf See, 25. Juni 2024: Was für eine Horrornacht. Wir sind die ganze Nacht über beigedreht geblieben. Der Wind hatte nochmals kräftig zugelegt und die See wurde richtig grob. Für mich beängstigend. Es zeigte sich jedoch, dass die OKOUMÉ die Wellen beigedreht gut abreiten konnte. Man durfte aber nicht hinsehen, sonst wurde einem angst und bange. Das Abendessen fiel entsprechend spärlich aus: Kräcker und Apfelmus direkt aus dem Glas, auf dem Salonboden sitzend, zwischen Navitisch und Pantry verkeilt.

Nebst dem schlechten Wetter machte uns einige Tage zuvor auch ein Wassereinbruch zu schaffen:

4. Tag auf See, 21. Juni 2024: Als ich während meiner Morgenwache das Bodenbrett in der Pantry hochhebe, um die Wasserversorgung auf den zweiten Tank umzustellen, trifft mich fast der Schlag: Knöcheltief steht Wasser in der Bilge! Und es ist salzig! Ich wecke Thomas und reisse die anderen Bodenbretter hoch. In allen hinteren und mittleren Bilgenfächern (bis zur Pantry) schwappt Wasser. Wir saugen alles auf und trocknen die Fächer, können aber zuerst das Leck nicht ausmachen. Die Fusspumpe, die wir zuerst im Verdacht haben, zu lecken (weil dies schon einmal der Fall war), ist es nicht. Am meisten Wasser steht in der Backbord-Backskiste, im Heck. Vielleicht ist hier eine fiese Welle eingestiegen? Nach zweistündigem Aufräumen sind wir schon ziemlich gerädert; kein guter Start in den Morgen. Auch der Wetterbericht für die Weiterfahrt nach Irland sieht schlecht aus: Bereits am So/Mo zieht eine kräftige Störung herein und bringt uns starken Nordwind. Und nachher ist schon ein grosses Tief in Sicht, genau über Irland. Was nun? Lange überlegen wir hin und her. Inzwischen ist wieder Wasser in die Bilge nachgelaufen! Die Bilgenpumpe kommt nochmals zum Einsatz. Dann entdeckt Thomas das Leck: Im Fach der Rettungsinsel ist ein Löchlein (ca. 3mm im Durchmesser), wo mal eine Schraube gesessen haben muss. Jedenfalls finden wir in der Backskiste darunter eine Unterlagsscheibe… Wir dichten das Loch mit «Leak Hero» ab. Bis jetzt (am Abend) ist es dicht und trocken. Puuuh!
Als wir abends im Cockpit noch ein Müesli essen, bläst ganz in unserer Nähe ein Wal aus! Es hat sich angehört wie ein Jumbojet, unglaublich. Der Wal zieht in unserem Kielwasser von dannen. Wow, wie eindrücklich!

Auch wenn uns dieser Törn, vor allem mental, viel abverlangt hat: Das Vertrauen in unser Boot ist noch immer gross. Die OKOUMÉ ist ein stabiles und schönes Schiff, dass auf allen Kursen gut zu segeln ist und sogar beigedreht ruhig liegt. Trotz widriger Wetterbedingungen haben wir keine wesentlichen Schäden zu beklagen, als wir in A Coruña einlaufen. Ausser anfänglichen Problemen mit der Internetverbindung über das Satelliten-Telefon (Iridium), einer defekten Frischwasserpumpe und einem gebrochenen Klodeckel ist alles heil. Wir entsalzen die OKOUMÉ gründlich (aussen wie innen), räumen alle Bilgenfächer aus und waschen diese aus, dichten das ominöse Löchlein im Rettungsinselfach frisch ab, installieren eine neue Wasserpumpe, reparieren das Klo, versehen die Backskisten mit einem neuen Abdichtband, putzen und polieren – und bald sieht die OKOUMÉ wieder (fast) wie neu aus.

Nun ist bereits Mitte August. Noch ein paar Tage werden wir uns hier in der Südbretagne ins Getümmel werfen. Anfangs September wird die OKOUMÉ dann eingewintert und wir fliegen zurück nach La Palma. Wie es mit der Segelei weiter geht, wird sich dann zeigen. Ob wir doch noch nach Irland segeln nächstes Jahr? On vera.

Herzlichi Grüessli a alli usem Golfe du Morbihan, Thomas und Regula
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<![CDATA[Katz und Maus in Praia da Vitória – Zwischenstopp auf den Azoren]]>Sun, 16 Jun 2024 14:44:57 GMThttp://www.sy-balu.ch/blog-sy-okoumeacute/katz-und-maus-in-praia-da-vitoria-zwischenstopp-auf-den-azoren


Sommerliche Tage
in Praia da Vitória
Im kleinen Hafen von Praia da Vitória (Insel Terceira) einen Liegeplatz zu bekommen, ist nicht ganz einfach. Ob man sein Boot im Hafen festmachen darf, scheint nicht wirklich von objektiven Faktoren abzuhängen, sondern davon, welcher Hafenmeister gerade Dienst hat und wie dessen Stimmung ist. Als wir, nach einem Nachttörn von Sao Miguel aus, die grosse Bucht von Praia da Vitória ansteuern, sind wir darauf gefasst, vor der Marina vor Anker zu gehen, denn wir hatten im Vorfeld vom Hafenbüro die Auskunft erhalten, der Hafen sei voll. Als wir uns nähern, sehen wir jedoch, dass am vordersten Steg noch einige Plätze frei sind. Also legen wir an und machen uns auf die Suche nach dem Hafenmeister. Dieser ist sehr freundlich und meint, wir könnten eine Woche im Hafen liegen bleiben. Wir sind positiv überrascht und freuen uns auf ein paar sonnige Tage im hübschen, sympathischen Ort.

Im Verlauf der nächsten Tage legen weitere Boote neben uns an. Diese erhalten im Hafenbüro eine ganz andere Antwort: Sie dürften maximal einen Tag bleiben. Ein amerikanischer Einhandsegler, der nach über drei Wochen auf See müde und erschöpft am Steg festmacht, wird gar angewiesen, den Hafen am gleichen Tag wieder zu verlassen und sich draussen vor Anker zu legen. Merkwürdigerweise «versanden» diese Aufforderungen und unsere Bootsnachbarn liegen noch tagelang neben uns… Ein englischer Segler, der schon längere Zeit auf Terceira weilt, meint trocken schmunzelnd: «Don’t ask, stay until they make you go». Wie wir bald feststellen, haben sich unter den Seglern, die hier im Hafen liegen, verschiedene Taktiken ausgebildet. Ein deutsch-schweizerisches Paar hat die Erfahrung gemacht, dass es besser ist, nur das männliche Crewmitglied ins Hafenbüro zu schicken (wenn die einzige Frau im Hafenteam Dienst hat), denn als SIE nach einer Verlängerung fragt, wird sie abgewiesen; ER hingegen erhält eine Zusage. Und unser französischer Bootsnachbar wendet ganz einfach die «Vermeidungstaktik» an: Er schleicht jeweils um die Mittagszeit von Bord, weil der Hafenmeister dann Pause hat und man nicht Gefahr läuft, ihm über den Weg zu laufen 😉

Von der undurchsichtigen Hafenpolitik einmal abgesehen, gefällt es uns hier in Praia da Vitória wirklich gut. Der Ort ist hübsch und beschaulich, der nahe Sandstrand lädt zum Baden ein (auch wenn die Wassertemperaturen nicht gerade karibisch sind) und die Atmosphäre ist familiär und freundlich.  Trotzdem wären wir schon froh, wenn sich bald ein Wetterfenster für einen Törn nordwärts einstellen würde. Eigentlich wollten wir auf den Azoren nur einen «kurzen» Zwischenstopp einlegen und dann in Richtung Irland oder in die Bretagne weiter segeln. Unser «Zwischenstopp» dauert nun aber schon mehrere Wochen, denn die Wetterküche ist dieses Jahr sehr launisch. Was wir auf jeden Fall vermeiden möchten, ist Wind und Welle auf die Nase, denn das hatten wir inzwischen zur Genüge. Sowohl beim Schlag von Gran Canaria nach Madeira als auch bei der Weiterfahrt von Madeira zu den Azoren mussten wir hart am Wind segeln.

Am schlimmsten waren die letzten 40 Meilen vor Santa Maria (Azoren): Noch nie haben wir eine solch konfuse, kurze See erlebt. Der Wind bläst kräftig um die kleine Insel und treibt die Wellen von beiden Seiten direkt vor unseren Bug. Ständig waschen die Wellen über das Vordeck, die OKOUMÉ knallt heftig in die steinharte See. Stundenlang stehen wir am Ruder, um die Wellen so gut es geht auszufahren und die schlimmsten Schläge abzuwenden. Unter Autopilot schlägt es einfach zu heftig. Wie schön, dass uns Freunde bereits im Hafen erwarten, uns aufmunternde Nachrichten schicken und – als wir nach einer gefühlten Ewigkeit endlich in den Hafen einlaufen – im Dunkel der Nacht die Leinen annehmen! Ein Stein fällt uns vom Herzen, als wir endlich sicher und fest liegen!

Da es nun schon eine gute Weile her ist, dass wir die Kanaren nordwärts verlassen haben, hatten unsere Hirnzellen inzwischen genügend Zeit, sich von Spanisch auf Portugiesisch umzustellen. Wobei: Auf Madeira und den Azoren sprechen viele Einwohner ein einwandfreies Englisch und so bleiben unsere Unterlagen zum Portugiesisch-Kurs (den wir vor Jahren einmal in Lagos besucht hatten) tief unten in den Schapps liegen. Wie sich aber schnell herausstellt, hätten wir doch gut daran getan, unsere eh schon mageren Portugiesisch-Kenntnisse aufzufrischen:

Eines schönen, sonnigen Morgens machen wir uns in Calheta (Madeira) auf den Weg zur Post. Es wird doch sicher im Ort über dem Hafen ein Postbüro geben, denken wir uns. Da das Städtchen sehr klein ist und wir vorhaben, nur wenige Minuten weg zu sein, nehmen wir ausser etwas Geld und dem Brief, den wir in die Schweiz senden müssen, nichts mit. Auch das Handy bleibt an Bord zurück. Wir spazieren also durch den Ort, sehen aber weit und breit keine Post. Einige hundert Meter weiter der Hauptstrasse entlang, gelangen wir an einen grossen Kreisel mit Tankstelle. Hier fragen wir nach der nächsten Post. Man schaut uns nur mit grossen Augen an. Aha – hier, etwas ausserhalb des touristischen Calheta, scheint man nur Portugiesisch zu sprechen. Wie ging das nochmal? Ah ja: «Onde fica correios?», fragen wir hoffnungsvoll. Wieder fragende Gesichter. Unsere Aussprache scheint hoffnungslos falsch zu sein. «Correio, correio?», versuchen wir es nochmals und winken mit dem Brief. «Ah, corräiusch!» Jetzt hellen sich die Gesichter auf. Aber ja, es gäbe ein Postamt im nächsten Ort, sagt man uns nun, circa 10 Minuten zu Fuss den Berg hoch. Als wir nach etwa 20 Minuten schnaufend den «nahen» Ort erreichen, wiederholt sich das Prozedere noch drei Mal, denn, wie sich herausstellt, befindet sich das Postamt nicht am Dorfeingang, sondern im Zentrum, circa 10 Gehminuten den Berg hoch… Obwohl wir nun mehrmals üben konnten, bessert sich unsere Aussprache mit dem weiteren Aufstieg nicht. Aber jeder, den wir unterwegs fragen, lächelt uns freundlich zu und beschreibt uns ausführlich den Weg. Als wir schliesslich das Postamt erreichen (das tatsächlich offen ist) und uns auch der Beamte hinter dem Schalter freundlich zulächelt, ist die Stimmung bei der OKOUMÉ-Crew super – nicht nur, weil wir unterwegs nur freundliche Menschen getroffen haben, sondern auch, weil der Weg in den Hafen nur noch abwärtsführt. Zum Glück haben wir das Handy (das uns den Weg gezeigt hätte) an Bord gelassen. Sonst hätten wir diesen aufmunternden Live-Portugiesisch-Kurs verpasst!

Bis bald, cheerio, Thomas und Regula
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<![CDATA[Should I stay or should I go?]]>Sun, 28 Apr 2024 15:09:28 GMThttp://www.sy-balu.ch/blog-sy-okoumeacute/should-i-stay-or-should-i-goPicture


Schönheitskur
für die OKOUMÉ
vor der nächsten Reise

Willst du Geduld lernen, musst du segeln. Das hat eine Freundin kürzlich zu uns gesagt. Wo sie recht hat… Da haben wir doch alles für unsere heutige Abfahrt zu den Azoren vorbereitet, haben für gut zwei Wochen Proviant gebunkert und vorgekocht. Wir haben ein Leebrett installiert, damit wir auf See auch im Salon schlafen können, ohne bei Krängung aus der Koje zu fallen. Wir haben den Sonnenschutz an der Fock nachgenäht, die Windsteueranlage montiert und mit neuen Übertragungsleinen versehen. Wir haben das Satelliten-Telefon eingebaut und konfiguriert, damit wir auch abseits von Land Wetterberichte empfangen und im Notfall telefonieren können. Tausend weitere kleine Dinge wurden erledigt. Und endlich wurde das Werkzeug sauber verstaut und festgezurrt (nur, um es fünf Minuten später wieder hervorzuholen, weil beim Öffnen eines Schapps der Schnappverschluss entzweigebrochen war…). Das Boot und wir sind bereit, alles ist «ship-shape». Als wir nun aber heute Morgen den neuen Wetterbericht studieren, sind wir verunsichert: Eines der Wettermodelle hat sich verändert, die Wetterlage scheint nicht stabil. Nach einigem Hin und Her entscheiden wir uns, doch (noch) nicht loszufahren und weiter abzuwarten.

Auch wenn die Stimmung an Bord nun nicht gerade hochtrabend ist: Eigentlich kennen wir solche Situationen ja gut. Letzten Sommer, als wir von den Azoren zurück nach La Palma segeln wollten, hatten wir unsere Reise auch mehrmals verschoben. Auch damals hatten wir uns wiederholt gefragt: Sollen wir gehen oder bleiben? Und am Ende klappte es dann doch mit der Rückfahrt. Diesen Sommer möchten wir unsere OKOUMÉ mal wieder in ein neues Segelgebiet bringen, vielleicht nach Frankreich, England oder Irland. Da wir die Gebiete der Orca-Angriffe meiden wollen (hauptsächlich die Küsten der iberischen Halbinsel), ist der Plan, erst einmal die Azoren anzusteuern. Von da aus schauen wir dann weiter.

Dass wir unsere Abfahrt von den Kanaren verschoben haben, ist ja nicht so schlimm, denn wir mögen diese Inseln ja sehr. Auch in den letzten Wochen haben sich wieder nette Geschichten ereignet, zum Beispiel, als wir bei einem «bocadillo» und einer «caña» (einem Sandwich und einem offenen Bier) in einer Bar am Strassenrand sitzen: Das Touristen-Paar am Nachbartisch wartet ungeduldig auf das bestellte Bier. Als es schliesslich kommt, ist auch der Bus da, auf den die beiden gewartet haben. Etwas genervt lassen sie die vollen Gläser stehen und steigen in den Bus. Kurz entschlossen sprintet der Kellner herbei, leert den Inhalt der Gläser in grosse Becher, stoppt den Bus und spricht mit dem Chauffeur. Die Becher werden dann den beiden – nun strahlenden – Touristen übergeben.

Eine nette Begegnung ergab sich auch kürzlich in Santa Cruz de Tenerife. In einer kleinen «Ferretería» suchten wir nach einer 12-Volt-Steckdose. Da der Inhaber des Ladens – ein älterer Herr mit Zigarre im Mundwinkel und freundlichem Lachen – keine solche auf Lager hatte, machte er sich mit uns zusammen auf die Suche, ging mit uns die Strasse entlang von Geschäft zu Geschäft, bis er schliesslich strahlend das gesuchte Stück für uns fand.

Die Leute auf den Kanaren nehmen – und lassen – sich Zeit. Wobei wir wieder beim Thema Geduld sind. Bei Bootsreparaturen auf diesen Inseln braucht es sie nämlich auch. Ein halbes Jahr lang warteten wir auf La Palma (vergebens) darauf, dass sich der aufgebotene Mechaniker für eine kleine Arbeit am Mast bei uns meldete (es ging um eine vom Hersteller organisierte und bezahlte Kontrolle auf Garantie). Mehrmals kontaktierte der Hersteller (Z-Spars) den Mechaniker, aber entweder er sprach kein Englisch oder er wollte keinen Kostenvoranschlag ausstellen oder er hatte keine Lust (was alles gleich wahrscheinlich ist). Die Arbeit wurde schliesslich auf Teneriffa erledigt, von Danilo von «Nordest», der kurzfristig Zeit fand und den wir wärmstens empfehlen können.

Ähnlich lange dauerte es mit der Reparatur unseres Kühlschranks. Schon zum dritten Mal liess uns das gute Stück im Stich, natürlich während der sechstägigen Überfahrt letzten Herbst von den Azoren nach La Palma, als der Kühlschrank randvoll mit guten Sachen gefüllt war. Wie schon zuvor, lief wieder Kühlflüssigkeit aus und wir mussten das Gerät abstellen, damit der Kompressor nicht überhitzte. Für die Reparatur auf Garantie müssten wir nach Las Palmas de Gran Canaria kommen, hiess es, anders würde sich dies nicht organisieren lassen. Den ganzen Winter über fanden wir keine Zeit, nach Las Palmas zu segeln. Als wir nun Zeit hatten, gab es in Las Palmas keinen Platz. Als es im Hafen Platz gab und wir endlich nach Las Palmas verholten, hatte der Mechaniker keine Zeit… Aber dann stand er eines Morgens doch plötzlich auf der Matte, die Reparatur wurde anstandslos auf Garantie ausgeführt und das Schränkchen schnurrt nun wieder wie ein braves Kätzchen und das Bier ist kaltgestellt.

Das Leben auf diesen Inseln ist eben wie das Segeln: Es braucht Geduld – aber am Ende ist alles gut.

Bis zum nächsten Bericht, herzliche Grüsse von Las Palmas de Gran Canaria, Thomas und Regula
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<![CDATA[Sommertörn 2023, Teil III: Azoren -  von einem blinden Passagier und vollen Häfen]]>Thu, 10 Aug 2023 12:48:13 GMThttp://www.sy-balu.ch/blog-sy-okoumeacute/sommertorn-2023-teil-iii-azoren-von-einem-blinden-passagier-und-vollen-hafen


Festmachen im Päckchen -
die Häfen auf den Azoren
sind gut besucht








Ein neues Crewmitglied




Wir sitzen in der wohligen Geborgenheit der Kabine. Während draussen der Wind in den Wanten heult, bedrohlich wirkende, dunkle Wolkenwände über den Hafen ziehen und der Regen auf das Deck prasselt, ist es hier drinnen bequem und gemütlich. Die OKOUMÉ liegt sicher vertäut an einem stabilen Steg im Hafen von Ponta Delgada und wartet den Durchlauf einer Front ab. Ein guter Zeitpunkt, auf den dritten Abschnitt unserer Sommerreise zurückzublicken:

Seit mehr als einem Monat sind wir nun bereits auf den Azoren. Ende Juni segelten wir in vier Tagen von Madeira nach Santa Maria, der südöstlichsten Insel des Azorenarchipels. Von da aus ging es nach São Miguel und weiter nach Terceira, São Jorge und bis zum Seglermekka Horta auf der Insel Faial. Seit Kurzem sind wir nun wieder zurück auf der Hauptinsel São Miguel. Von hier aus werden wir den Kurs wieder südwärts richten, entweder nochmals nach Madeira oder gleich direkt zu den Kanaren – und nachhause nach La Palma – segeln. Das Wetter wird den Ausschlag geben.

Vor vier Jahren waren wir schon einmal durch die Inselwelt der Azoren gesegelt. Noch immer haben diese grünen Inseln inmitten des Atlantiks etwas ungemein Reizvolles an sich. Für Segler, die Hunderte von Meilen auf hoher See hinter sich haben, hat der Anblick des mächtigen Pico (des höchsten Bergs Portugals), der am Horizont erscheint und majestätisch in den blauen Himmel ragt, etwas Magisches an sich. Auf den Azoren anzukommen, ist noch immer eine bewegende, einzigartige Erfahrung.

Allerdings hat sich auch so manches verändert. Zum einen sind viel mehr Boote unterwegs als noch vor vier Jahren. In der Hochsaison (Juni, Juli, August) sind die Häfen sehr voll und man kann nicht sicher sein, noch einen Platz zu bekommen. Man erzählte uns, dass an einem Tag Ende Juni in Horta über 40 Schiffe eingelaufen sein sollen! Auch wir machten die Erfahrung, dass es in den Häfen eng werden kann, und lagen immer einmal wieder im «Päckchen» (das bedeutet, dass man längsseits an einem anderen Boot festmacht, das am Steg liegt – oder selbst bereits an einem anderen Boot vertäut ist). Mit der BALU hatten wir in der Nord- und Ostsee öfters im Päckchen festgemacht; für die OKOUMÉ war es eine neue Erfahrung. Im Päckchen zu liegen kann ja etwas sehr Geselliges an sich haben und die Segler einander näherbringen. Im Hafen von Velas, zum Beispiel, lagen wir neben einer netten portugiesischen Familie. Der Papa sprach zum Glück Französisch (unser Portugiesisch hält sich sehr in Grenzen) und es war schön und spannend, sich mit ihm auszutauschen. In Horta, hingegen, hatten wir das zweifelhafte Vergnügen, eine schmuddelige, verwahrloste Dufour mit platten, schmutzigen Fendern als Nachbarin zu erhalten. Der französische Skipper stand mit Zigarette im Mundwinkel am Steuer, während sein Mitsegler fluchend versuchte, uns die Heckleine zuzuwerfen, während das Boot immer wieder von uns wegdriftete… Zum Glück war dies unsere letzte Nacht in Horta und wir konnten uns tags darauf bereits wieder aus dem unangenehmen Päckchen lösen.

Im Sommer sind nicht nur viele Segler unterwegs. Es gibt auch auffallend viele Ausflugsboote. Egal auf welcher Insel (ob auf den Kanaren, Madeira oder den Azoren), immer wieder zeigte sich uns das ähnliche Bild: Mehrmals täglich fahren die Touristen-Boote ein und aus, für Whale-Watching, Tauchausflüge oder Rundfahrten mit «Cüpli» und leichter (bis lauter) Musik. Das Angebot für die Besucher scheint sich immer mehr zu vereinheitlichen, die Tourismusindustrie beginnt, die Atmosphäre in den Häfen zu dominieren. Manchmal fragen wir uns, ob dies alles nicht zu viel wird. Natürlich möchte man einerseits beim Whale-Watching die Besucher für das Leben der Wale und Tiere im Meer begeistern und sensibilisieren, und die Fahrten dienen sicher auch der Erforschung der Ozeane. Andererseits geht es auch um sehr viel Geld, denn die Ausfahrten mit hochmotorisierten Schnellbooten sind teuer und gut gebucht. Wir fragen uns manchmal, wie lange der eindrucksvolle Moment einer Walsichtung beim durchschnittlichen Besucher überhaupt anhält, ob die Ausfahrt auf das Meer nicht eher zu einem kurzfristigen Konsumerlebnis verkommt, das am Tag darauf von der nächsten touristischen Aktivität abgelöst wird und sich im Rausch der Quantität verliert?

Was uns hingegen positiv aufgefallen ist: Das Meer zwischen den Inseln lebt! Fast auf jeder Überfahrt sehen wir Delfine, Schildkröten oder Wale. Einmal sichten wir sogar zwei Pottwale, die in gebührendem Abstand an uns vorbeiziehen und dabei immer wieder schräg ausblasen und ihre markanten, fast rechteckigen Köpfe in die Luft strecken. Sofort denken wir an Moby Dick, Regula schwärmerisch an Herman Melvilles treffende Sprache, Thomas an Kapitän Ahab, denn – wie die Romanfigur auf dem Deck der PEQUOD – stolziert auch er gerne auf dem breiten Heck der OKOUMÉ auf und ab (wenn auch ohne Holzbein). Und nicht nur im Wasser, auch in der Luft herrscht reger Betrieb. Immer wieder treffen wir auf Sturmtaucher, die in grossen Schwärmen auf den Wellen schaukeln und plötzlich verschreckt aufflattern, wenn sich der Bug der OKOUMÉ auf sie zubewegt.

Auf dem Weg von Madeira zu den Azoren gesellt sich sogar eine Taube zu uns und fährt volle drei Tage lang als blinder Passagier mit. Die Taube ist recht gross und doppelt beringt (wie wir später herausfinden, handelte es sich darum wohl um eine Brieftaube). Die Taube lässt sich füttern und wird immer zutraulicher. Wir geben ihr den Namen Hans. Hans hat die Eigenheit, im Weg zu stehen, wenn wir Segel setzen oder bergen, und überall auf dem Schiff seine «Spuren» zu hinterlassen, sodass wir ständig damit beschäftigt sind, hinter ihm her zu putzen. Als wir uns der Insel Santa Maria nähern, verscheuchen wir Hans, als er nach einem seiner Ausflüge wieder an Deck landen will, denn er wird uns als Haustier langsam etwas anstrengend. Regula hat später noch Gewissensbisse und fragt sich, ob Hans auf Santa Maria einen guten Unterschlupf gefunden hat. Jedenfalls sehen wir auf der Insel viele Tauben, er scheint also immerhin in guter Gesellschaft zu sein.

Verdursten muss Hans auf den Azoren sicherlich nicht. Die Inseln sind sehr grün und es regnet viel. An die hier vorherrschende hohe Luftfeuchtigkeit müssen wir uns erst einmal wieder gewöhnen (denn auf den Kanaren, wo wir uns lange Zeit aufgehalten haben, ist das Klima eher trocken). Dieses Jahr scheint der Sommer auf den Azoren noch feuchter zu sein als sonst. Ein befreundeter Segler, der nach Faial ausgewandert ist, macht die Klimaanlage an und geht zwei Tage lang nicht aus dem Haus, als die Luftfeuchtigkeit einmal wieder 90% erreicht. Im Boot haben wir keine Möglichkeit, die Luftfeuchtigkeit zu regulieren (den Entfeuchter haben wir im Haus auf La Palma gelassen, da wir dachten, im Sommer würden wir ihn an Bord nicht brauchen), und alles wird klamm, Kleider, Tücher, Bücher, das Bettzeug… Da hilft nur lüften, lüften, lüften (wenn denn mal ein Hauch geht) und immer wieder die Polster hochstellen, Schränke ausräumen und die Wände mit Essigwasser behandeln, um Schimmel vorzubeugen.

Während es hier auf den Azoren sehr feucht ist, kämpft der Süden Europas mit Trockenheit und grossflächigen Waldbränden. Eines Tages erreicht uns die Nachricht, dass es auch auf La Palma brennt! Das Feuer breitet sich rasend schnell aus und bedroht bald auch unser Dorf. Unsere hilfsbereiten Mieter bringen unser Auto und die wichtigsten Dokumente in Sicherheit und halten uns auf dem Laufenden. Auch stehen wir mit unseren Nachbarinnen in engem Kontakt, telefonieren regelmässig und sprechen uns Mut zu. Als nach ein paar Tagen der Brand unter Kontrolle gebracht werden kann, fällt uns ein Stein vom Herzen! Die Einsatzkräfte haben Unglaubliches geleistet! Und wir sind froh und dankbar, in unserem Dorf so nette Nachbarn und für unser oberes Häuschen so verlässliche Mieter gefunden zu haben. Das hat die Situation ungemein erleichtert!

Während ich dies schreibe, eine Schrecksekunde: Am Steg gegenüber legt ein Segler ab und bleibt – im starken, böigen Westwind – am Heck des Nachbars hängen! Mit Ach und Krach schafft es das Boot doch noch aus der Box und aus dem Hafen. Dreimal darf man raten, welches Schiff den Schaden angerichtet hat: Es ist die HILDEGARD, die heruntergekommene Dufour, die in Horta bei uns im Päckchen gelegen hatte! Nur gut, dass die beiden Franzosen nun fort sind – je weiter, desto besser ;-)

Cheerio und bis demnächst, herzliche Grüsse von Ponta Delgada, Thomas und Regula

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<![CDATA[Sommertörn (oder was auch immer) 2023, Teil II: nach Madeira - Sommer im Frühling und Winter im Sommer]]>Thu, 08 Jun 2023 14:56:56 GMThttp://www.sy-balu.ch/blog-sy-okoumeacute/sommertorn-oder-was-auch-immer-2023-teil-ii-nach-madeira-sommer-im-fruhling-und-winter-im-sommer


Stürmische Zeiten
auf Madeira
Als wir im letzten Blogeintrag schrieben, dass wir mit dem nächsten Wetterfenster von Lanzarote nach Madeira segeln wollten, ahnten wir nicht, wie lange es tatsächlich dauern würde, bis wir von den Kanaren loskamen. Da waren wir extra zur östlichsten Kanareninsel gesegelt, um von da aus mit den üblichen Nordostwinden einen besseren Winkel für die Überfahrt zu haben. Und dann wehte es drei Wochen lang stürmisch aus Norden, manchmal sogar aus Nordwesten, also genau von da, wo wir hinwollten. Jeden Tag erreichte uns derselbe Wetterbericht: Für die nächsten 10 Tage Nordnordwest bis Nord, 5-7 Beaufort, inklusive 2 bis 4 Meter Welle auf die Nase. Wir übten uns in Geduld, fragten uns aber manchmal schon, ob dieses Jahr der Sommer früher als üblich Einzug hielt und ob es überhaupt noch eine Chance geben würde, nach Madeira zu segeln. Wir hatten Anfang Mai, aber die Nordwindlage war bereits so stark und ausgeprägt wie sonst im Juli und August. Die freundliche Büroangestellte in der Marina Rubicón meinte aufmunternd, die Wetterlage sei schon sehr untypisch für diese Jahreszeit – und sackte lächelnd die Liegegebühr für eine weitere Woche von uns ein...

Dann – endlich – tat sich etwas in der Wetterküche. Der Wind wurde etwas schwächer und wir kreuzten vom Süden Lanzarotes nach Arrecife (der Inselhauptstadt) und schliesslich nach Caleta de Sebo (auf der kleinen Insel Graciosa nördlich Lanzarotes) auf. Am 24. Mai lösten wir bei leichtem Nordwind in Caleta de Sebo die Leinen, Kurs Madeira. Nach erstaunlich entspannten und ruhigen zwei Tagen und Nächten auf See erreichten wir schliesslich Funchal, die Hauptstadt Madeiras, und freuten uns enorm, den Sprung doch noch geschafft zu haben! Mit einem feinen Abendessen in einem netten Restaurant feierten wir nicht nur unsere Ankunft, sondern holten auch unsere Geburtstage nach, die wegen der Törnvorbereitung und der üblichen Routine des Wachegehens auf See etwas zu kurz gekommen waren. Nicht, dass dies Thomas gestört hätte. Geburtstage sind für ihn ja bekanntlich Tage wie alle anderen. Aber Regula zuliebe kramte er für den Restaurantbesuch dann doch noch die lange Hose aus der untersten Ecke des Schapps…

Seit wir auf Madeira sind, hat sich, zynischerweise, die Grosswetterlage komplett geändert. Endloser Sommer? Von wegen! Wir haben nun Winter! Das Hoch über den Azoren ist verschwunden. Stattdessen ziehen Tiefdruckgebiete heran und bescheren uns westliche Winde und viel Regen. Anfangs freuten wir uns noch über den Regen, denn er wusch den Sand und Staub von Lanzarote vom Boot. Aber dazu hätte EIN Regentag eigentlich gereicht…

Höhepunkt der ungewöhnlichen, winterlichen Wetterlage ist Sturmtief «Oscar»: ein Unwetter, das nicht nur uns hier auf Madeira zu schaffen macht, sondern auch die Azoren und gar die im Süden gelegenen Kanaren betrifft. Für Madeira erwartet man vor allem sintflutartigen Regen, aber auch Sturmböen und Schwell aus Süd. Da die Häfen auf Madeira gegen Südstürme nur schlecht geschützt sind, kommt es zu emsigen Vorbereitungen, auch bei uns in Funchal. Boote, die in Nähe der Hafeneinfahrt liegen, werden, soweit möglich, umplatziert. Man zieht Festmacher quer durch den Hafen, hektisch wird an den Leinen gezupft, zusätzliche Fender werden angebracht.

Unser Nachbarboot hat, wie wir, sehr breite Salinge. Damit sich die Riggs (der Mast und die Drahtseile, die den Mast stützen) der Schiffe nicht verheddern, wenn die Boote im Sturm schaukeln, binden wir die Boote so an, dass die Masten nicht auf gleicher Höhe sind. Am nächsten Morgen – der Himmel hat sich schon zugezogen und leichter Regen eingesetzt – kommt der Eigner des Nachbarboots nochmals in den Hafen und bindet sein Boot wieder anders an. Eigentlich will er es weiter vom Steg wegziehen (das übernächste Boot wurde verlegt und es hat nun viel Platz in der Box), aber irgendwie klappt es nicht, weitere Personen von anderen Booten kommen hinzu und schliesslich ziehen alle an irgendeiner Leine und kommen sich gegenseitig in die Quere. Wir versuchen, vermittelnd einzugreifen, aber unsere Portugiesisch-Kenntnisse sind leider sehr bescheiden. Zum Glück schreiten schliesslich die Marineros ein, die, wie wir schon bemerkt haben, hier eine gewisse Autorität besitzen und von den Bootsbesitzern respektiert werden. Wenige Handgriffe später liegt das Nachbarboot wieder gut vertäut in der Box; auch die Riggs der beiden Schiffe können wieder frei «arbeiten». Unser Nachbar verabschiedet sich sichtlich erleichtert und geht nach Hause. Von nun an wird jeder übereifrige Freund unseres Nachbarn (und derer gibt es viele!), der sich in verdächtiger Absicht unseren Booten nähert, von uns mit einem bösen Blick bedacht, damit er ja nicht auf die Idee kommt, die Leinen zu «justieren».

Als Sturm «Oscar» schliesslich über uns hinwegzieht, bringt er die erwarteten Rekordmengen an Regen. Der Bach, der neben der Hafeneinfahrt ins Meer mündet, wird zum reissenden Strom. Da er nicht nur viel Wasser, sondern auch beeindruckende Massen an Schlamm, Holz und Geröll mit sich führt, bildet sich in der Hafeneinfahrt bald eine natürliche Barre. Anfangs ist es im Hafenbecken noch sehr unruhig und die Boote tanzen im hereindringenden Schwell. Doch nachdem sich die Barre gebildet hat und die Einfahrt durch Geröll versperrt ist, liegen wir sehr ruhig. Wir kommen alle aus dem Staunen nicht mehr heraus. Mit dieser natürlichen «Zusatzmole» hat niemand gerechnet! Beruhigt legen wir uns schlafen und versuchen, den Gedanken zu verdrängen, dass zwar vorerst kein Schwell mehr in den Hafen dringen kann, wir aber auch nicht mehr hinausfahren können. Bis die Hafeneinfahrt ausgebaggert ist, dürfte es eine gute Weile dauern.

Obwohl wir nun im Hafen von Funchal eingeschlossen sind, sind wir froh, dass wir das schlechte Wetter hier aussitzen können und nicht etwa im Hafen von Caleta de Sebo (unserem Absprunghafen auf den Kanaren) festsitzen. Während die Marineros in Funchal hilfsbereit, kompetent und flexibel sind, Englisch sprechen, und bemüht sind, für ihre Kunden und deren Boote zu sorgen und die bestmögliche Lösung zu finden, sogar nachts im Sturm Kontrollgänge über die Stege machen, sind die Hafenarbeiter in Caleta de Sebo das komplette Gegenteil. Will man den Hafen auf der kleinen, beschaulichen Insel Graciosa besuchen, kann man nicht einfach hinsegeln und auf dem Weg dahin anrufen. Will man einen Liegeplatz, muss man diesen über die App von «Puertos Canarios» beantragen, am besten eine Woche im Voraus und auch gleich die Liegegebühren vorab online einzahlen. Wer sich nicht an diese Regel hält, wird meistens abgewiesen, selbst wenn der Hafen halb leer ist.

So erging es auch zwei Franzosen, die wir in Caleta de Sebo kennenlernten. Sie hatten sich zwar über die App angemeldet, sich jedoch vertippt (oder die App auf Spanisch nicht ganz verstanden) und bei dem gewünschten Liegeplatz, anstelle von «Hafen», «Ankerplatz» angekreuzt. Als sie dann in den Hafen einliefen, wurden sie tatsächlich weggeschickt (obwohl es viele freie Plätze hatte). Am Ankerplatz haben sie dann erneut einen Liegeplatz über die App beantragt und konnten einen Tag später endlich im Hafen festmachen. Bei uns hatte es zwar geklappt mit der Anmeldung über die App, aber man wies uns einen schlechten Platz zu, der mittig von einem Pfosten versperrt war. Nur mühsam konnten wir unser Boot hier einigermassen sicher vertäuen. Alle anderen Plätze hatten keine solche Pfosten als Hindernis, und dennoch wollte man uns nicht umplatzieren. Als ich mich am nächsten Tag erdreistete, einen der Sicherheitsbeamten auf Spanisch anzufragen, ob wir einen Tag länger als gebucht bleiben könnten (Hilfe, Kunde droht mit Umsatz!), erntete ich einen bösen Blick und ein knappes «Lunes: oficina» («Montag: Büro»). Kommunikation und Kundenorientierung sind definitiv nicht die Stärken dieses Hafens ;-) Trotzdem hat es sich gelohnt, Graciosa anzusteuern, denn die kleine, wüstenartige Insel mit gerade einmal 700 Einwohnern hat ihren ganz eigenen Wildwest-Charme.

Also dänn, bis zum nächsten Bericht (sollte es den Madeirensern gelingen, die Hafeneinfahrt von Funchal wieder freizulegen – man sagt, in zwei Tagen sei es soweit), muitas saudações da Madeira!

Thomas und Regula
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<![CDATA[Sommertörn 2023, Teil 1: Kanaren - Von mysteriösen Begebenheiten und (er)nüchtern(d)en Erklärungen]]>Tue, 02 May 2023 14:42:07 GMThttp://www.sy-balu.ch/blog-sy-okoumeacute/sommertorn-2023-teil-1-kanaren-von-mysteriosen-begebenheiten-und-ernuchternden-erklarungen


Unser Sommertörn 2023 beginnt mit einer Aufwärmrunde durch die Kanarischen Inseln
Mitternacht im Stadthafen von Las Palmas de Gran Canaria: Wir liegen, nichts Böses ahnend, in der Koje. Es ist erstaunlich ruhig. Die Boote liegen still an ihren Leinen. Kein Wind. Lediglich aus der Ferne ein gedämpftes Grossstadtrauschen. Plötzlich ein merkwürdiges Geräusch, eines, das wir noch nie gehört haben und uns sofort aufhorchen lässt: Ein lautes Blubbern und Gurgeln aus der Küche. Schnell sind wir auf den Beinen und nehmen die Bodenbretter hoch, können aber nichts Abnormales feststellen. Das Gegurgel kommt aus dem Ablauf des Lavabos. Fragend sehen wir uns an. Was ist denn das? Jagende Fische, die das Wasser aufwirbeln? Eine Riesenkrake, die sich von aussen am Seeventil festgesaugt hat? Dass wir vor Kurzem die Serie «Der Schwarm» gesehen haben, hilft nicht gerade, die ausufernde Fantasie zu bändigen. Regula sieht vor ihrem geistigen Auge schon eine weiss leuchtende, gel-artige Masse den Ablaufschlauch hochsteigen, da hört das Blubbern abrupt auf. Achselzuckend legen wir uns wieder in die Koje. Doch merkwürdig: Was ist denn mit dem Kühlschrank los? Normalerweise wechseln sich kurze Kühlphasen und längere Arbeitspausen ab; jetzt aber läuft er ununterbrochen! Schnell legt Thomas den Schalter um, aber es ist schon zu spät, der Kompressor ist heiss und springt auch nicht wieder an. Und jetzt geht uns endlich ein Licht auf: Unser Kühlschrank funktioniert über Wasserkühlung. Das Kältemittel muss ausgelaufen sein und zwar über den Kondensor am Rumpfdurchbruch, was das mysteriöse Blubbern verursacht hat. Durch das Leck im Kondensor ist Seewasser ins Kühlsystem gelangt, was allen weiteren Elementen des Kühlschranks (Kompressor und Verdampfer) den Garaus gemacht hat. Diese sachliche Erklärung ist in gewisser Hinsicht beruhigend, andererseits aber auch nicht wirklich erfreulich, oder besser gesagt sehr ärgerlich, denn es ist nicht das erste Mal, dass uns der Kühlschrank Probleme bereitet…

Das unliebsame Geräusch auslaufenden Kühlmittels kannten wir nämlich schon, allerdings nur bei Entweichen des Gases in die Luft: Neun Monate vor dem unheimlichen Blubbern in der Bilge hatten wir unsere OKOUMÉ in Tazacorte an Land gekrant, um einige Unterhaltsarbeiten vorzunehmen. Unter anderem wollten wir für den Kühlschrank eine neue Anode am Rumpf anbringen, wobei wir blöderweise mit dem Gewindeschneider den (offenbar recht fragilen) Kondensor verletzten. Ein hässliches «Pfffffft» unterstrich die unumstössliche Tatsache, dass das Kühlmittel ausgelaufen und der teure Kondensor kaputt war. Man hat Thomas wohl bis nach Santa Cruz hinüber fluchen hören…

Wir ersetzten damals den Kondensor (die Lieferung des Ersatzteils hatte läppische vier Wochen gedauert) und liessen das Kühlmittel wieder einfüllen. Offenbar hatte man uns aber ein marodes Ersatzteil geschickt, denn weder wir noch der in Las Palmas aufgebotene Techniker konnten sich später erklären, warum der neue Kondensor plötzlich leckte. Dafür wissen wir nun nicht nur, wie es sich anhört, wenn das Kühlmittel in die Luft entweicht, sondern auch, was für ein Geräusch dabei unter Wasser verursacht wird. Eine Erfahrung, auf die wir gerne hätten verzichten können. Die Garantie-Abwicklung gestaltete sich schwierig und wir bauten schliesslich einen neuen, lediglich luftgekühlten Kompressor mit dem dazugehörenden Verdampfer ein.

(Übrigens: Es gibt nicht nur Geräusche, die bei uns sehr unbeliebt sind. Inzwischen reagieren wir auch auf gewisse Gerüche recht empfindlich. Nachdem wir unseren Berlingo (unser Auto auf La Palma) zweimal innert weniger Tage wegen auslaufenden Diesels abschleppen lassen und vor Kurzem noch ausgelaufenes Benzin aus der Backskiste wischen mussten (der kleine Benzinkanister für den Aussenborder war undicht geworden), können wir jeglichen Treibstoffgeruch nicht mehr ausstehen. Aber dies nur so am Rande.)

Von der leidigen Kühlschrankgeschichte einmal abgesehen, haben wir unsere Reise bisher sehr genossen. Nachdem wir in den letzten zwei Jahren wegen unseres Finca-Projekts kaum zum Segeln gekommen sind, haben wir uns nun vorgenommen, einen längeren Sommertörn zu machen. Vor einem Monat haben wir in Tazacorte auf La Palma die Leinen gelöst. Eine «Aufwärmrunde» durch die Kanaren hat uns über Teneriffa, Gran Canaria und Fuerteventura nach Lanzarote geführt. Diese Inseln haben wir vor Jahren schon einmal angesteuert und in manchen Häfen scheint sich nicht viel geändert zu haben: In Santa Cruz de Tenerife treffen sich wie eh junge Liebespärchen zum Kuscheln am Hafen. Und Las Palmas de Gran Canaria ist noch immer ein unglaublich preiswerter Hafen, der viele Lebenskünstler und Aussteiger aller Couleur anzieht. Unser polnischer Bootsnachbar, zum Beispiel, war seit zwei Jahren damit beschäftigt, mit einfachsten Mitteln eine heruntergekommene, kleine Sloop zu «restaurieren». Er war freundlich und sympathisch, aber als er anfing, im offenen Cockpit Aluminium zu schweissen, wurden wir doch etwas nervös. Als er sich für eine Woche verabschiedete (er wollte nach Marokko zum Arbeiten), waren wir, zugegebenermassen, erleichtert.

Auf Fuerteventura liefen wir den Hafen von Gran Tarajal an, den wir zuletzt vor 12 Jahren besucht hatten – damals noch mit der BALU. Der Ort ist vom grossen Touristenansturm verschont geblieben und noch immer ein echtes kanarisches Städtchen; etwas heruntergekommen zwar, aber mit einem ungekünstelten, freundlichen Charme (leider hat sich auch der Zustand der Hafentoiletten nicht wirklich zum Besseren verändert). Und noch etwas ist sich gleichgeblieben (und hier sind wir wieder beim Mysteriösen): Es scheint im Hafen von Gran Tarajal ein schwarzes Loch zu geben, das auf dem Steg liegende Badelatschen quasi magisch anzieht und sich auf Nimmerwiedersehen einverleibt. Schon vor 12 Jahren hatte es eine von Thomas’ Sandalen erwischt – und jetzt wiederholte sich das Szenario…

Seit zwei Tagen liegen wir nun in der Marina von Rubicón im Süden Lanzarotes (und geniessen hier die Annehmlichkeiten einer sauberen Dusche mit warmem Wasser). Von hier aus wollen wir mit dem nächsten Wetterfenster nach Porto Santo oder Madeira segeln – und von dort wieder berichten. Bis dänn, härzlichi Grüess us Lanzarote, Thomas und Regula 😊
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<![CDATA[Durch Blumen und Vektoren die Richtung verloren - ein Ausflug nach El Hierro]]>Tue, 27 Apr 2021 15:51:21 GMThttp://www.sy-balu.ch/blog-sy-okoumeacute/durch-blumen-und-vektoren-die-richtung-verloren-ein-ausflug-nach-el-hierro



El Hierro








„Eintauchen“
in die Natur
Volvo Ocean Race 2014, Indischer Ozean: In der Nacht vom 29. auf den 30. November fährt Team Vestas Wind mit 19 Knoten auf ein Riff auf. Glücklicherweise kommt bei der Havarie niemand zu Schaden, vom Boot einmal abgesehen. Die Segelwelt schreit auf und fragt sich, wie so ein Fiasko nur passieren konnte. Auch wir sind recht verwundert. Wie zu einem späteren Zeitpunkt deutlich wurde, hatte der Navigator auf der elektronischen Karte wohl nicht genug hereingezoomt und so die gefährlichen Untiefen übersehen. Zeitsprung: 22. April 2021. Die OKOUMÉ nähert sich von Süden kommend der Westküste La Palmas. Der Kartenplotter zeigt, dass wir direkt unser Ziel, den Hafen von Tazacorte, ansteuern. Doch plötzlich kommen die steilen Klippen immer näher…

Aber der Reihe nach: Nachdem wir von unserem Makler erfahren haben, dass es noch 2 Monate oder länger dauern dürfte, bis wir für die Umschreibung unserer „Fincas“ zum Notar können (s. Eintrag März 21), entscheiden wir uns zu einem Ausflug zur südlichen Nachbarinsel El Hierro. Um zwischen den beiden Kanareninseln hin und herzusegeln, benötigen wir keinen COVID-Test, und das Wetter sieht auch passend aus. Also holen wir unsere OKOUMÉ aus dem Winterschlaf. Aus einer schwimmenden Wohnung wird endlich wieder ein Segelboot. Gut 50 Seemeilen sind es von Tazacorte (auf der Insel La Palma) zum Hafen von La Estaca, im Nordosten El Hierros. Das Gefühl wieder unterwegs zu sein, ist einfach toll, auch wenn uns der offene Atlantik mit zwei Metern Schwell begrüsst. Immer wieder begegnen wir einem Schwarm Sepiataucher (Gelbschnabel Sturmtaucher) und eine grosse Schule Delfine kommt zu Besuch. Die Tiere begleiten uns eine volle Stunde lang und schwimmen auch später immer wieder mit uns. Wann haben wir so etwas zum letzten Mal erlebt? Es wird uns bewusst, wie sehr uns das alles in den letzten Monaten gefehlt hat.

Im freundlichen Hafen von La Estaca fühlen wir uns auf Anhieb wohl. Am Steg liegen nur eine Handvoll Boote, die Stimmung ist herzlich und entspannt. Das Wasser ist sehr sauber und klar; sogar ein Schwarm Barrakudas scheint im Hafen zu leben und versteckt sich sogleich unter dem Rumpf der OKOUMÉ. Von der Atmosphäre her erinnert uns der Hafen irgendwie an Porto Santo (wenn auch der Strand nebenan nicht goldgelb und sandig, sondern schwarz und steinig ist). Einzig die Fähre (die werktags einmal täglich ein und ausfährt) und der beständige Wind sorgen für etwas Unruhe.

Wir sind überrascht, wie grün und fruchtbar El Hierro im Norden ist. Wir wandern durch üppige, verschwenderisch duftende Blumen und Kräuterwiesen und staunen. Obwohl wir auf offiziellen Wanderwegen unterwegs sind, sieht man vor lauter Blumen den Boden kaum, von Wanderwegmarkierungen fehlt jede Spur. Teilweise wächst uns das Grün fast über den Kopf – im wahrsten Sinn des Wortes, denn einmal geht es wirklich nicht mehr weiter und wir müssen uns einem Bachbett entlang zur nächsten Strasse durchschlagen und dabei natürlich noch über eine Mauer klettern (die Alternative wäre ein mit Stacheldraht umzäuntes Kakteenfeld gewesen ;-)). Ganz anders sieht es im sonnenverwöhnten, südlicheren Gebiet um El Pinar aus. Hier ist es um einiges trockener und auf den diversen Pfaden, die durch die stillen Kiefernwälder führen, treffen wir alle zehn Meter auf einen Wegweiser…

Mit Ausflügen, Wandern, Unterwasser-Putzen, Schlendern durch den Hafen und Klönschnack vergeht die Zeit wie im Flug und nach einer Woche auf El Hierro bietet sich bereits ein Wetterfenster für die Rückfahrt nach Tazacorte. Dies bringt uns zum Anfang dieses Beitrags zurück. Als wir der Küste La Palmas entlang nordwärts motoren (wie so oft herrscht auf der Westseite der Insel Flaute), beschleicht die etwas träge und faule Crew plötzlich das Gefühl, dass mit dem Kurs etwas nicht stimmen kann. Laut Kartenplotter halten wir genau auf Tazacorte zu. Die Realität sieht aber anders aus, wir nähern uns bereits jetzt schon viel zu sehr der Küste. Endlich verstehen wir: Der Richtungsvektor auf der elektronischen Karte zeigt nicht den Kurs über Grund, sondern den Kurs ohne Beschickung. Vereinfacht gesagt: Der Pfeil auf der Karte zeigt dahin, wo auch der Bug der OKOUMÉ hinzeigt und nicht dahin, wohin wir effektiv fahren (auf dem Meer ist das oft ein grosser Unterschied, denn Wind und Strom versetzen das Boot und auch Missweisung und Deviation gilt es zu beachten). Vor einigen Wochen hatten wir den Plotter im Cockpit auf Werkszustand zurückgesetzt und wieder frisch eingerichtet, weil er uns zuvor ein paar Probleme bereitet hatte. Offenbar hatten wir da nicht daran gedacht, auch die Einstellung der Vektoren zu überprüfen. Wir sind einfach davon ausgegangen, dass der Richtungspfeil den „Kurs über Grund“ anzeigt, so wie er es die letzten Jahre lang getan hatte. Wie schnell man sich an etwas gewöhnt, es nicht mehr hinterfragt und sich – zu sehr – daran orientiert (es hat ja immer prächtig funktioniert…). Kleinlaut passen wir die Einstellungen an und nehmen die schöne, unnötig gefahrene Kurve auf dem Display als Mahnmal, auch weiterhin nicht nur auf die Elektronik zu vertrauen.

Wir werden uns nun wieder unserem Projekt an Land zuwenden und wünschen euch eine gute Zeit, denn wer weiss, wann wir wieder zum Segeln und Schreiben kommen werden. Bliibed xund, cheerio us Tazacorte, Thomas & Regula
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<![CDATA[Ein neues Projekt]]>Sat, 20 Mar 2021 14:12:19 GMThttp://www.sy-balu.ch/blog-sy-okoumeacute/ein-neues-projekt



Unser Leben
nimmt eine Kurve.
Lange ist es her seit unserem letzten Blogeintrag. Dies hat damit zu tun, dass wir derzeit kaum reisen. Mal abgesehen von unserem Besuch in der Schweiz über Weihnachten und Neujahr bewegen wir uns kaum, unsere OKOUMÉ liegt gut vertäut im Hafen von Tazacorte auf der Kanareninsel La Palma. Und dies ist nicht nur wegen der anhaltenden COVID-Krise so, die das Reisen erschwert, sondern auch, weil wir hier auf La Palma ein neues „Projekt“ in Angriff genommen haben: Wir sind dabei, eine Finca zu kaufen! Genauer gesagt: ein Häuschen, das sich in einem recht guten Zustand befindet, ein etwas grösseres Haus, das sehr renovationsbedürftig ist, eine kleine alte Ruine (deren Dach bald einstürzt), einen Hühnerstall (der bei der Übergabe dann hoffentlich leer sein wird), einen Schuppen voller Unrat und einen Garten, der – wie es in der Maklersprache oft so schön heisst – grösstenteils „naturbelassen“ ist (will heissen, von Unkraut überwuchert). Unser Ziel ist es, die Häuschen umzubauen beziehungsweise zu renovieren. Unser neues Projekt wird sehr arbeits- und zeitintensiv sein (und sorgt bei der Schiffs-Crew, für die ein solches Abenteuer zu LAND etwas komplett Neues ist, auch mal für schlaflose Nächte ;-) ). Wir werden also erst einmal eine grössere Reisepause einlegen und auch unseren Reiseblog an dieser Stelle unterbrechen. Wenn wir wieder in See stechen, werden wir wieder berichten, oder dazwischen auch einmal etwas über den Fortgang unseres neuen Finca-Projekts schreiben.

Bevor wir unser neues Projekt konkret angehen können, wird es noch einige Zeit dauern. Wir haben zwar schon eine Anzahlung gemacht und einen Reservationsvertrag unterzeichnet, aber für die Umschreibung der Liegenschaft beim Notar benötigen wir noch so einige Papiere und Unterlagen, deren Beschaffung etwas dauern dürfte. Es gibt ja den Spruch, dass die Spanier grosse Pferdeliebhaber seien – und am liebsten sei ihnen der Amtsschimmel, und dieser Spruch ist nicht ganz unbegründet. Jedenfalls sind wir froh, einen guten Makler zu haben, der uns durch den Kaufprozess begleitet. Weil wir Schweizer keine EU-Bürger sind, brauchen wir, zum Beispiel, eine Bewilligung des spanischen Militärs, wenn wir hier ein Haus erwerben wollen. Für diesen Antrag muss man einen Auszug aus dem Strafregister beilegen, inklusive einer beglaubigten spanischen Übersetzung desselben (der Auszug ist in unserem Fall zwar schon viersprachig – Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch –, aber das reicht natürlich nicht…). Auch mussten die Parzellen des Lands und die Häuschen neu ausgemessen werden, denn die Objekte waren nur teilweise im Kataster eingetragen und die Grenzen stimmten sowieso nicht. Das alles ist hier aber ganz normal – und braucht halt einfach seine Zeit. Langweilig wird es uns aber nicht, es gibt noch viel zu organisieren und abzuklären. Dazwischen pflegen wir unsere OKOUMÉ, erkunden die Insel (meist zu Fuss – La Palma ist ja ein Wanderparadies), lassen das Leben hier weiter auf uns wirken und machen neue Bekanntschaften. Und dann müssen wir ja auch noch Spanisch lernen.

Wir hoffen, ihr bleibt gesund und guten Mutes, und dass auch ihr, trotz Corona, eure Projekte (seien sie gross oder klein) weiterverfolgen könnt. Bis dänn, cheerio vo de OKOUMÉs
Thomas & Regula
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<![CDATA[„It never rains in Tazacorte“ (oder so) - La Palma, la isla verde]]>Thu, 03 Dec 2020 20:25:37 GMThttp://www.sy-balu.ch/blog-sy-okoumeacute/it-never-rains-in-tazacorte-oder-so-la-palma-la-isla-verde


Dürre und Waldbrände
haben der „grünen Insel“,
wie La Palma oft genannt wird,
in den letzten Jahren sehr zugesetzt.






Doch mit dem Regen
kehrt das Leben zurück.
Endlich! Es regnet – wie schön! Und dieses Mal sind es nicht nur ein paar flüchtige Tropfen, die quasi schon verdunstet sind, bevor sie den Boden erreichen (und die unsere Freundin Martina von der MAJE als „flüssige Sonne“ bezeichnen würde). Nein, seit ein paar Tagen haben wir einmal wieder einen richtigen Regen, bei dem man tatsächlich alle Luken schliessen muss und froh ist, wenn das Boot dicht ist. Ein richtiger Regen, der regelmässig auf das Deck prasselt, während man es sich drinnen im wohlig-warmen Salon gemütlich macht, einen Tee (mit Rum) trinkt, ein Buch liest – oder einen neuen Blogeintrag schreibt. Dies mag in euren Ohren komisch klingen. Aber nach einem guten halben Jahr ohne richtigen Regen – nach Monaten unter Sonne und blauem Himmel – haben diese Regengüsse wirklich etwas Schönes und Beruhigendes für uns. Und ausserdem macht es einfach mehr Spass, die Weinachts-Lämpli im Salon bei Regenwetter und im Pulli aufzuhängen als bei 30 Grad und im Bikini…

Der Regen wird hier auf den Kanaren auch dringend benötigt, denn die Inseln leiden schon seit Jahren unter anhaltender Trockenheit. Wir haben das Gefühl, die Welt um uns herum atmet auf. Allerdings: Gerade weil die Erde so trocken ist, kann zu viel Regen in kurzer Zeit auch dramatische Folgen haben und zu Erdrutschen und Steinschlägen führen. Vor Kurzem hat ein Steinschlag in Tazacorte grossen Schaden angerichtet; eines der Restaurants am Fuss des „El Time“ wurde komplett zerstört. Glücklicherweise war das Restaurant gerade geschlossen und es befanden sich auch kaum Passanten auf der Strandpromenade (es regnete ja in Strömen), und es wurde niemand verletzt!

Wir sind nun schon seit gut zwei Monaten auf La Palma, der nordwestlichsten Insel der Kanaren. In der Marina von Tazacorte haben wir einen guten Liegeplatz gefunden. Der Hafen ist bestens geschützt und ruhig. Wir treffen hier viele nette Segler (einige kennen wir schon von früher – die Seglerwelt ist wirklich klein!), der hübsche Badestrand liegt gleich um die Ecke und es mangelt auch nicht an charmanten Restaurants und Bars. Tazacorte besteht aus zwei Ortsteilen, einem kleinen Badeort am Meer (Tazacorte Puerto – hier war der Steinschlag) und einem etwas erhöht liegenden Städtchen (Tazacorte Villa), das man vom Hafen aus zu Fuss in etwa 15 Minuten erreicht. Die Stimmung hier ist freundlich und ungekünstelt, irgendwie herrlich „normal“. Der Tourismus ist nicht übertrieben (im Moment ist es wegen der COVID-Krise natürlich ruhiger als sonst – Ballermann-Stimmung herrscht hier aber auch ohne COVID nicht). Und auch daran, dass sich die Einheimischen nicht in einer normalen Lautstärke miteinander unterhalten können, haben wir uns inzwischen gewöhnt. Was in unseren Schweizer Ohren wie ein lautes Streitgespräch tönt, ist hier in Wahrheit eine ganz normale Unterhaltung. Und nein, die Leute haben nicht Südafrika am Draht, wenn sie hier auf der Strasse telefonieren, auch wenn man es meinen könnte…

Während der Grossteil Europas stark von der zweiten Corona-Welle getroffen wird, geht es hier auf La Palma recht gelassen zu und her. Die Fallzahlen sind konstant tief und die Einschränkungen viel weniger streng als am Festland. Es gibt zwar eine allgemeine Maskenpflicht, aber wir können uns frei bewegen. Die Läden und Restaurants haben auf (wenn auch aufgrund mangelnder Kundschaft mit teils reduzierten Öffnungszeiten) und im kleinen Rahmen finden auch kulturelle Veranstaltungen statt. Und Regula nimmt neuerdings auch Spanisch-Stunden.

Wir haben also wirklich Glück gehabt und sind zur rechten Zeit am rechten Ort! Es ist fast wie ein kleines Paradies hier. Und doch machen wir uns auch viele Gedanken über die Zukunft und sind etwas verunsichert, was uns das nächste Jahr bringen wird, wo unsere „Reise“ hingehen soll. Unser Weltenbummler-Lebensstil wird durch COVID natürlich sehr erschwert. Ist nun die Zeit, etwas Neues anzugehen? Könnten wir vielleicht hier auf La Palma heimisch werden, uns etwas aufbauen? Und auch kurzfristige Reisepläne sind nicht sicher: Über Weihnachten und Neujahr wollen wir in die Schweiz fliegen (unser letzter Besuch bei unseren Freunden und Familien ist schon eineinhalb Jahre her!), aber ob die Flüge dann wirklich durchgeführt werden oder ob uns die Corona-Krise doch noch einen Strich durch die Rechnung macht, weiss man halt nicht so genau. Flexibel bleiben ist die Devise…

Und doch: Wie unbedeutend und nichtig unsere kleinen Alltagssorgen doch eigentlich sind! Das wird uns hier auf den Kanaren immer wieder vor Augen geführt. Während wir uns um eigentliche „Luxusfragen“ Gedanken machen, bangen hier viele Einheimische um ihre Existenz. Und nicht nur COVID macht in diesem Jahr Schlagzeilen. 2020 wird auf den Kanaren auch als Beginn einer neuen Flüchtlingswelle in die Annalen eingehen. Von dieser Tragödie vernimmt man in den Schweizer Nachrichten kaum etwas. An die 20‘000 Migranten sind dieses Jahr bereits auf den Kanaren angekommen (zum Vergleich: 2019 setzten ca.2500 Flüchtlinge auf die Kanaren über; 2018 waren es deren 1300). Die Flüchtlinge kommen aus Marokko, dem Senegal, Guinea, der Elfenbeinküste oder Mali. Sie flüchten vor dem Hunger, der Armut, dem Klimawandel, der Korruption und der unsicheren Zukunft in der Sahelzone. Unter anderem weil die Mittelmeerroute inzwischen stärker kontrolliert wird, wagen sie nun die lange und gefährliche Reise über den Atlantik zu den Kanaren und riskieren dabei ihr Leben. Mehr als 600 Menschen starben dieses Jahr bei der tagelangen Überfahrt. Die Behörden auf den Kanaren sind mit dem Strom an Migranten überfordert. Die spanische Regierung hat den Kurs in der Flüchtlingspolitik verschärft und will die Flüchtlinge nicht auf das Festland lassen – man fürchtet wohl, dass man sonst die Migranten zur Flucht über die Kanaren ermuntern würde.

Ein Grossteil der auf den Kanaren eintreffenden Flüchtlinge wird nach Gran Canaria gebracht (hauptsächlich nach Arguineguín und Mogán). Aber auch hier auf La Palma kommen wir immer wieder mit der Flüchtlingsproblematik in Berührung. Fast täglich lesen wir auf unserem Navtex-Empfänger, dass Boote in der Gegend aufgefunden wurden oder sich in Seenot befinden. Wir haben auch schon mehrmals Hubschrauber auf Suchflügen beobachtet. Am meisten beeindruckt hat uns aber das Flüchtlingsboot, das eine Zeitlang auf dem Trockenplatz von Tazacorte lag (inzwischen wurde es weggebracht). Als wir vor dem einfachen, offenen Cayuco stehen, läuft uns ein kalter Schauer über den Rücken. Die Vorstellung, welche Verzweiflung Menschen dazu treibt, in ein solches Boot zu steigen und auf das offene Meer zu fahren – in einer völlig überfüllten Nussschale ohne jeden Schutz – treibt uns die Tränen in die Augen. Welche Strapazen die Menschen auf so einer Reise durchmachen müssen! Wenn wir mit unserer OKOUMÉ zur See fahren, tun wir dies mit einem hochseetüchtigen Segelboot, einer guten Sicherheitsausrüstung und reichlich Proviant; wir besitzen die Möglichkeit, Wetterberichte zu empfangen und unsere Route entsprechend anzupassen. Und trotzdem erfüllt uns die See immer wieder mit Ehrfurcht und wir begegnen ihr mit grossem Respekt. Gerade auf unserem Törn zu den Kanaren – unweit der afrikanischen Küste – war der Seegang beträchtlich. Wie es einem typischen Flüchtlingsboot in so einer Wetterlage ergehen würde, möchten wir uns nicht ausmalen.

Ja, wir sind wirklich in einer luxuriösen Lage. Wir haben die Freiheit und die Möglichkeit, unsere Zukunft zu gestalten, Entscheidungen zu treffen. Auch wenn es nicht immer einfach ist, herauszufinden, was der richtige Weg ist: Dass wir überhaupt die Wahl haben, ist ein grosses Privileg, das nicht vielen Menschen zuteil wird.

So, um den heutigen Tag etwas weniger schwermütig ausklingen zu lassen, werden wir uns nun mal mit der grossen Entscheidung beschäftigen, welchen Wein wir heute zum Abendessen aufmachen sollen ;-) Und euch wünschen wir inzwischen eine schöne Adventszeit, bliibed xund und gfrääss, und rutsched dänn guet is Nöie Jaar!

Herzlichi Grüess us Tazacorte, Thomas & Regula

P.S. Übrigens haben wir hier auf La Palma inzwischen eine Kuh gesehen (vgl. letzter Beitrag), sogar mehrere Exemplare!! :-)
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<![CDATA[Wo ist die Kuh?? Ankern in Gran Canarias Party-Buchten, Sightseeing der Superlative auf Tenerife und Genusswandern auf La Gomera]]>Thu, 10 Sep 2020 17:31:37 GMThttp://www.sy-balu.ch/blog-sy-okoumeacute/wo-ist-die-kuh-ankern-in-gran-canarias-party-buchten-sightseeing-der-superlative-auf-tenerife-und-genusswandern-auf-la-gomera


Achtung Rindvieh!
Aber wo stecken sie denn,
die Kühe?


Ziegen hingegen
sehen wir auf den
Kanaren regelmässig.
Immer wieder begegnen wir auf den Kanaren Strassenschildern, die vor freilaufendem Rindvieh warnen. Zumindest interpretieren wir die dreieckigen, rotumrandeten Tafeln so, die in der Mitte eine, in unseren Augen, Kuh-ähnliche Abbildung aufweisen. Doch auf welcher Insel wir uns auch befinden: Nie haben wir bisher ein echtes Exemplar des wiederkäuenden Vierbeiners gesehen.

Die letzten drei Inseln haben wir gar aus unterschiedlichen Perspektiven besichtigt und noch immer keine Kuh gefunden: Gran Canaria besuchen wir auf dem Seeweg, segeln im Uhrzeigersinn um die fast kreisrunde Insel und ankern während gut zwei Wochen im sonnigen Süden. Nun gut, wahrscheinlich hat sich gerade keine Kuh an die Küste verirrt… Aber was ist mit Tenerife und La Gomera? Tenerife erkunden wir ausgiebig mit dem Mietwagen, fahren quasi jede vorhandene Strasse der grössten Kanareninsel ab. Und auf La Gomera sind wir schliesslich gemütlich per Bus und zu Fuss unterwegs. Und noch immer zeigt sich das gleiche Bild: Strassenschild: ja – Kuh: Fehlanzeige.

Kuh hin oder her, die letzten Wochen auf den Kanaren waren sehr abwechslungsreich. Auf Gran Canaria steuern wir zuerst den grossen, 1300 Liegeplätze fassenden Hafen von Las Palmas de Gran Canaria an. Diese Marina kennen wir schon, hier waren wir bereits einmal vor 10 Jahren, als wir im Rahmen der ARC (Atlantic Rallye for Cruisers) über den Atlantik segelten. Dieses Mal ist es uns in Las Palmas etwas zu stickig und zu nervös. Nach 5 Tagen Grossstadt – und gefühlten 1000 Kilometern zu Fuss über Hafenstege, Asphalt und Pflastersteine, durch Markthallen, Einkaufszentren und Shoppingmeilen – setzen wir bereits wieder Segel und machen uns auf in den Süden Gran Canarias, wo wir bei Pasito Blanco den Anker fallen lassen.

Täglich scheint die Sonne von einem wolkenlosen, blauen Himmel; ein sanfter Wind und der Sprung vom Boot ins 24 Grad warme Wasser gestalten das Bord-Leben sehr angenehm. Manchmal wird es zwar etwas schauklig, wenn nachts der Wind schlafen geht und von Süden her ein unangenehmer Schwell in die Bucht zieht. Daran gewöhnen wir uns mit der Zeit. Woran wir uns aber nicht so recht gewöhnen können, ist die Verwandlung, die die Bucht im Lauf des Tages durchmacht. Früh morgens ist alles noch ruhig und idyllisch. Die wenigen vor Anker liegenden Boote schwojen friedlich an den Ketten, ein Pärchen schlendert händchenhaltend über den nahen Strand. Erinnerungen an unsere Zeit in der Karibik werden wach. Das Leben vor Anker ist auf das Wesentliche konzentriert, es gibt nicht viel Ablenkung. Wir haben Zeit für uns, Zeit für Gedanken und Gespräche, Zeit für ein gemütliches Beisammensein mit Freunden bei einem Sundowner oder Kaffee. Mehr noch als im Hafen lernen wir die Ressourcen Strom und Süsswasser wieder schätzen und gehen sparsam mit ihnen um. Wir realisieren wieder, wie wenig Energie und Wasser wir eigentlich brauchen und dass es uns trotz – oder gerade wegen? – der Einschränkungen sehr wohl ist.

Für solche Gedanken ist jedoch bald kein Raum mehr. Schon beim Frühstück geht es los. Wasserskifahrer, Jetskis (gegen die wir ja eigentlich keine Abneigung mehr hegen dürfen, s. Beitrag zu Angra de Heroismo), protzige Motoryachten und kleine Badeböötchen, Segelschiffe, Fischer und und und: Quasi im Sekundentakt kommen sie alle aus den nahen Marinas, brausen mit Vollgas zwischen den Ankerliegern hindurch oder lassen in nächster Nähe den Anker fallen. Bald ist die Bucht übervoll, Party-Musik dröhnt aus den Lautsprechern, es wird ordentlich gebechert, gegrillt, gegrölt, geplanscht. Stundenlang können wir im Cockpit sitzen und diesem bunten Schauspiel zusehen. Thomas meint sogar, dies sei ja besser als fernsehen. Wenn es dunkel wird, ist der Spuk wieder vorbei, die Tagesausflügler kehren in den Hafen zurück und die Bucht verfällt wieder in ihren Dornröschenschlaf. Ausser es ist gerade Wochenende. Dann gesellen sich zu den üblichen Verdächtigen noch die vermögenden Bootsbesitzer aus Las Palmas hinzu (die, wie wir von Freunden erfahren, von den Einheimischen gerne als „New Russians“ bezeichnet werden), und dann geht die Party zu Wasser oft bis tief in die Nacht hinein.

Als sich nach einer Weile ein Wetterfenster für die Weiterfahrt andeutet, sind wir nicht allzu böse. Wir nutzen die Chance und segeln über Anfi del Mar und Puerto de Mogán nach Tenerife. In Santa Cruz, der Hauptstadt Tenerifes, fühlen wir uns wohl. Das Stadtzentrum ist überschaubar und gut zu Fuss zu erkunden. In den baumgesäumten, schattigen Gassen laden Kaffees und Bars zum Verweilen ein. Und vom Hafen aus haben wir einen wunderbaren Blick auf das majestätische Anaga-Gebirge.

Mit dem Mietauto geht es über die mit 2034 km2 grösste und wirklich vielseitige Kanareninsel. Wie immer, wenn wir mit dem Auto unterwegs sind, arbeitet Regula im Vorhinein einen groben Fahrplan aus. Dieses Mal kommt es jedoch anders, als wir denken. Vom Autoverleih erhalten wir nämlich einen Audio-Guide auf CD (dumm ist nur, dass es im Auto keinen CD-Player gibt und wir die CD erst an Bord der OKOUMÉ auf eine SD-Karte überspielen müssen, die sich dann im Auto wiedergeben lässt). Der Audio-Guide ist sehr ausführlich und die Beschreibungen der unzähligen Sehenswürdigkeiten Tenerifes sprudeln nur so über vor Superlativen. Der Besuch diesen und jenen Ortes, Aussichtspunkts oder Museums ist „unbedingt zu empfehlen“, „lohnt sich auf jeden Fall“ oder „sollte auf keinen Fall verpasst werden“, heisst es immer wieder. An jeder Ecke scheint ein überaus geschichtsträchtiges Gebäude oder eine Jahrhunderte alte Kirche auf den Besucher zu warten…

Obwohl wir über die blumigen Ausführungen schmunzeln müssen, lassen wir uns wiederholt zu einem Umweg verleiten. So kurven wir zum Beispiel auf der Suche nach der korrekten Ausfahrt über eine Stunde in Los Realejos herum, einer Ortschaft, die auf der CD als „die feierfreudigste Gemeinde Spaniens“ angepriesen wird. Eine ausserordentliche Feststimmung können wir hier nicht ausmachen. Im Gegenteil, wir haben eher das Gefühl, in einer durchschnittlichen Kleinstadt gelandet zu sein, in der die Einwohner mit nicht gerade Party-Laune ausstrahlendem Gesichtsausdruck ihren ganz normalen Tagesaktivitäten nachgehen, sich auf dem üblichen Weg zur Arbeit, zum Supermarkt oder zur Bar an der Ecke befinden (vielleicht sind sie gerade besonders frustriert, weil ihnen Corona einen Strich durch die sonst so ausgelassene Festtagsstimmung macht?).

Auch wollen wir es uns wegen der Ausführungen auf der CD nicht nehmen lassen, den ältesten Drachenbaum der Kanaren zu fotografieren, der an die 1000 Jahre alt sein soll. Auch wenn es auf Tenerife sicherlich gewichtigere Sehenswürdigkeiten gibt, so ist dieser Baum, der in Icod de los Vinos steht, tatsächlich schön anzusehen. Gemäss Audio-Guide ist der Drachenbaum ja auch „eines der wichtigsten Natur-, Kultur- und Geschichtssymbole der kanarischen Inseln“. Und unweit des „Parque del Drago“ finden wir zudem eine nette Tapas-Bar :-)

Nachdem wir es trotz diverser Routenabweichungen doch noch geschafft haben, die Hauptattraktionen Tenerifes zu besuchen (wie zum Beispiel den Teide-Nationalpark oder die Schlucht bei Masca), segeln wir weiter zur Nachbarinsel La Gomera. Hier machen wir in der „Marina La Gomera“ in der kleinen, gemütlichen Hauptstadt San Sebastián fest (9000 Einwohner), wo es uns auf Anhieb gefällt. Nur die zunehmenden Einschränkungen und Sicherheitsvorkehrungen wegen COVID-19 trüben den Enthusiasmus ein wenig. Bereits in Tenerife mussten wir überall im öffentlichen Raum eine Maske tragen (selbst wenn der Mindestabstand von 1,5m eingehalten werden konnte). Wir sind Gast in diesem Land und halten uns natürlich an die Regeln. Aber etwas mühsam ist diese Maskenpflicht schon (und manchmal etwas fraglich, so darf man zum Beispiel im Restaurant die Maske erst abnehmen, wenn die Getränke serviert werden und nicht schon dann, wenn man sich hinsetzt – zumindest ist das theoretisch so, in der Praxis ist man oft „flexibler“).

Inzwischen haben wir jedoch die Lösung gefunden, wie wir die „Maskerade“ bestmöglich umgehen können. In der freien Natur, abseits von Siedlungen, muss man die Maske nicht tragen. Auch darf man die Maske abnehmen, wenn man isst. Die optimale Kombination ist also: die „Genusswanderung“! In unserem Wanderführer finden wir tatsächlich eine Wanderung, die als „Genussbummel durch die Bergdörfer oberhalb des Valle Gran Rey“ beschrieben wird, weil sich auf dem Weg zahlreiche Einkehrmöglichkeiten befinden. Also nichts wie los!

Wie es uns auf diesem „Genussbummel“ ergangen ist (und auf einer weiteren wunderschönen Wanderung, die uns vom höchsten Gipfel La Gomeras, dem Garajonay, ins Tal von Hermigua führt), erfährt ihr in der folgenden Fotostrecke. Wir beginnen die Fotogalerie in La Gomera und „reisen“ retour über Tenerife nach Gran Canaria.

Herzliche Grüsse aus San Sebastián de la Gomera und bis zum nächsten Bericht (wer weiss, vielleicht haben wir bis dann die Kuh ja gefunden?), Thomas & Regula
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